Ich habe eine Weile nicht geschrieben. Weder über´s Laufen noch über´s Cellospielen. Hätte ich´s getan, hättet Ihr in etwa gelesen: „Ich schaff´s nicht. Ich komme nicht voran. Es wird immer schlimmer. Ich hab keine Zeit. Das ist ja peinlich, wie langsam ich bin. Wie konntest Du nur glauben, mit Mitte Dreißig könntest Du das noch lernen? Und überhaupt: Werd´endlich vernünftig – es gibt genug Wichtigeres: Arbeiten, Kochen, Aufräumen,…“ Kommt das irgendwem bekannt vor?
Anfänger-Cellospiel kann eine quälende Sache sein – besonders akustisch. Die Beschwerden der Nachbarn haben zwar abgenommen (möglichweise zeigen die Maßnahmen „Yogamatte unter Stuhl und Cello legen“ und „Heizung mit Meditationskissen beschweren“ Wirkung), trotzdem wird die Hemmung erheblich größer, sobald ich weiß, dass die Nachbarin unter mir zu Hause ist. Ich kann nicht unhörbar Cellospielen lernen. Und vor allem: Was hörbar wird, ist meine Schwäche, meine Unfähigkeit, mein „Schief-sein“…
Seit Wochen beschäftige ich mich mit meinem Aufstrich. Mein Abstrich (Handbewegung nach außen) klingt ganz leidlich, der Aufstrich (Bewegung nach innen) klingt nach Asthma. Ungefähr so: Brumm – Quietsch – Summ – krächts – Brumm – quietsch….. Meine Lehrerin sagt: „Ellenbogen fallen lassen“ – mach ich doch… . Auch alle Alexander-Mantras brachten nichts. Der Frust wuchs. Nicht nur, weil es nach vier Monaten immer noch so grausig quietscht, sondern weil ich als AT-Lehrerin doch eigentlich die Mittel gelernt haben sollte, solche Gewohnheiten aufzudecken.
Heute habe ich das Suchen aufgegeben. Ohne Hoffnung auf Besserung, dachte ich, übe ich halt „Brumm – Quietsch“, bis es mir zu blöd wird. Nach dem fünften „Brumm – Quietsch“ habe ich gemerkt, wie ich direkt vor dem Aufstrich – minimal – den Kopf einziehe. Ein klassischer Schreckreflex – oder besser: ein Schreck-PRE-flex – denn die Reaktion ist schon da, bevor ich überhaupt den Ton gespielt habe.
***Denkpause***
„Was wäre, wenn ich keine Angst hätte, dass der nächste Ton schief wird?“ oder (in Bezug auf meinen ersten Artikel): „Wie wäre ich – ohne die Angst vorm schiefen Ton?“
Muss ich noch weiterschreiben? Dass der Klang auf einmal Platz hatte? Dass der Ellenbogen kein Thema mehr war? Dass die linke Hand auf einmal die richtigen Töne gedrückt hat? (Natürlich auf Anfänger-Niveau…) Brumm – Summ – Brumm – Summ … beglückend…
Wie wäre mein Leben ohne die Angst vorm schiefen Ton?
P.S. Dank an Robyn Avalon, die Meisterin der „Was wäre, wenn…? – Fragen.
auch Luther kannte das und empfahl „sündige tapfer!“
in diesen und anderen Lebenslagen.
Du bist nicht allein.